WAS SIE MÖGLICHERWEISE NOCH NIE ÜBER SITCOMS WISSEN WOLLTEN. JETZT ABER TROTZDEM ERFAHREN.

//Eine kurze Einführung in die Welt der hysterischen Lacher

Die Geschichte der TV-Sitcom ist beinahe so alt wie das Fernsehen selbst. Entstanden nach dem Prinzip der legendären Radio Shows der 30er und 40er Jahre diente sie - ähnlich der Soap-Opera - hautpsächlich als bessere Werbeplattform. Was zu Beginn als Stakkato diverser Gags und Slapstik-Nummern funktionierte, entwickelte schon bald ein spießiges Eigenleben. Die Fernsehmacher entdeckten die Sehsucht der Zuschauer nach Identifikationsfiguren. Menschen wie du und ich, die auf möglichst humorige Art mit Allerweltsproblemen zu kämpfen hatten. Die Sitcom mutierte zur kleinbürgerlichen Spiegelwelt. Dabei galt es natürlich auch typisch amerikanische Werte wie Patriotismus, Familie und Religion zu vermitteln.

Platz für Extreme bietet die traditionelle Sitcom eher nicht. Abgesehen von einer Handvoll Ausnahmen findet man bis zum heutigen Tage keine Millionäre, Bettler, Halsabschneider oder sonstige Randgruppen in diesem TV-Format. Und falls doch, sind sie mit allen nur erdenklichen Klischees behaftet. Natürlich versteht es sich von selbst, dass die Sitcom besagte Alltagsprobleme niemals vertieft. Ebenso werden diverse Tabu-Themen wie z.B.Sex, häusliche Gewalt oder Tod auf gar keinen Fall angeschnitten.

So oberflächlich die Sitcom also auch sein mag. Sie funktioniert nach einem ausgereiften Prinzip und nach quasi in Stein gemeißelten Regeln. Insofern verstößt Theater4 mit seiner Inszenierung in mehrfacher Hinsicht gegen die ungeschriebenen Sitcom-Gesetze.

Vergleichen Sie selbst:

DIE SIEBEN GOLDENEN REGELN DER SITCOM

//1. Das Prinzip der Sitcom

Wie es sich aus dem Namen schon herleiten lässt, zählt in der Sitcom einzig und allein der Augenblick. Was vorher war oder später sein wird ist belanglos. Vor allem das Seelenleben der Figuren. Die Handlung einer Sitcom dreht sich so gut wie nie um eine Sache selbst, sondern um ein aus ihr resultierendes Missverständnis, das sich im Laufe einer Folge vervielfacht, um am Ende auf einen Schlag gelöst zu werden.

//2. Die zwei Arten der Sitcom

In der Familien-Sitcom werden zumeist die zwischenmenschlichen Probleme innerhalb einer Familie oder einer familienähnlichen Gemeinschaft (Freunde, Kollegen, etc.) behandelt. Dabei wird die Geschichte oftmals aus der Sicht einer Hauptfigur geschildert. (Bill Cosby Show, Eine schrecklich nette Familie, Hör mal wer da hämmert, Friends). Die Familien-Sitcom macht den Großteil des Formates aus. Der Veränderungs-Sitcom liegt ein vehementer Eingriff in das Leben einer Person oder Gruppe und die daraus resultierenden Missverständnisse zu Grunde. (Alf, Frasier). Die Veränderungs-Sitcom hat nur dann eine Chance auf ein langes Leben, wenn sie sich im Laufe der Zeit in eine Familien-Sitcom verwandelt. D.h. der Außerirdische sollte irgendwann ein Teil der Familie werden. Sonst muss er gehen.

//3. Der Handlungsort der Sitcom

Aufgrund finanzieller und zeitlicher Zwänge wird die Sitcom in einer feststehenden Studiokulisse gedreht. Zumeist handelt es sich dabei um den scheinbar typisch amerikanischen Haushalt. Bestehend aus einem zentralen Wohnbereich mit obligatorischem Sofa, einer offenen Küche auf der einen Seite, der Eingangstür auf der anderen Seite und einer Treppe im Hintergrund. Ob sich hierbei die Sitcom an der wirklichen Welt orientiert hat oder umgekehrt, bleibt offen. Meistens gibt es auch noch eine Arbeitsplatz- und eine Kneipen-Kulisse. Andere Orte oder gar Außenaufnahmen kommen sehr selten vor.

//4. Die Konservenlacher (Publikumsreaktionen vom Band)

Um die eher künstliche Atmosphäre der Studiokulisse etwas aufzulockern, werden Sitcoms größtenteils vor Live-Publikum eingespielt. Die sagenumwobene Mär, dass Konservenlacher nur deshalb eingeführt wurden, weil die Publikumslacher bei der Synchronisation nicht mehr verwendbar waren, ist zwar eine schöne Geschichte, aber falsch. Tatsächlich konnte man sich nicht auf die adäquanten Publikumsreaktionen verlassen, musste aber aus Inszenierungsgründen die Lacher im Drehbuch einplanen. Also half man etwas nach.Sitcom-Kenner wissen natürlich, dass man keinen Gag benötigt, um einen Konservenlacher einzuspielen. Vielmehr gaukelt das immerwährende Getöse vom Band den Humorgehalt einzelner Dialoge und Situationen vor. Es scheint ständig etwas zu passieren. Bestes Beispiel sind hierbei süße, kleine, putzige Sitcom-Kinder, die bereits für ein einfaches "Hallo" einen riesigen Lacher ernten. (Full House)

//5. Die Sitcom-Charaktere

Grundsätzlich schleppen die Menschen der Sitcom-Welt mittelschwere bis unheilbare Neurosen und Marotten mit sich herum. Diese Unzulänglichkeiten und diverse zerplatzte Lebensträume dienen als Basis für alle folgenden Missverständnisse, also für die Handlung der Sitcom. Merke! Es gibt NIEMALS wirklich böse Menschen in Sitcoms.

Hauptfigur(en)
Eine Sitcom hat meist eine bis vier Hauptfiguren, um deren Probleme sich die gesamte Serie dreht. Selbst für den Fall, dass einmal eine andere Person ein Problem hat, sind die Hauptfiguren immer so sehr involviert, dass sich sofort wieder alles um sie dreht. Sitcom-Hauptfiguren führen ein relativ sicheres Leben. D.h. sie verschwinden erst, wenn die Serie endet.
Nebenfiguren
Ständig präsente oder regelmäßig wiederkehrende Charaktere repräsentieren zumeist jene Stereotypen, die man aus seiner eigenen Erfahrungswelt zu kennen glaubt. Der selbstherrliche Chef, die neugierige Nachbarin, das süße Kleinkind, die frühreife Teenagertochter und der grenzdebile Kumpel sind oft genug für die Probleme der Hauptfiguren verantwortlich. Manchmal helfen sie auch bei der Lösung. Nebenfiguren sollten sich bis spätestens zum Ende der ersten Staffel eine Art Fangemeinde angeeignet haben. Ansonsten wird es eng mit dem schönen Sitcom-Leben.
Gäste
Gäste tauchen meistens nur in einer Folge auf und sind dann nicht selten für alle Missverständnisse dieser Folge verantwortlich. In diese Kategorie fallen auch die sogenannten Gaststars. Tatsächlich wirkten schon unzählige Hollywood-Größen in Sitcoms mit. Selbst John Wayne soll irgendwann in den 60er Jahren in einer Sitcom gesehen worden sein. Gäste müssen schon einen sehr bleibenden Eindruck hinterlassen haben, um eventuell zu einer Nebenfigur aufzusteigen.
Kinder
Sitcom-Kinder sind störrisch, altklug, strohdumm oder zuckersüß. Es gibt eigentlich keine Grauzonen zwischen diesen Extremen. Fast scheint es so, als würden hier bereits die Neurosen für ein späteres Erwachsenenleben geprägt werden. Sozusagen Futter für die nächste Sitcom-Generation. Allerdings lebt niemand in der Medienwelt so gefährlich wie ein Sitcom-Kind. Unzählig sind die Kinder, die aus dem Drehbuch gestrichen wurden, weil sie entweder beim Publikum nicht ankamen oder einfach nicht mehr süß genug waren. Sind sie schon etwas älter, dürfen sie wenigstens aufs College gehen. Sind sie dafür aber noch zu jung, verschwinden sie sang- und klanglos von der Bildfläche und aus dem Gedächtnis aller verbleibenden Sitcom-Charaktere.

//6. Spin-Offs

In seltenen Fällen gelingt es einer Nebenfigur eine so bemerkenswerte Popularität zu erlangen, dass sie ihre eigene Sitcom erhält. Allerdings sind diese sogenannten Spin-Offs häufig weit weniger erfolgreich als die Originale. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel. So schaffte es der komplexbeladene Psychiater Frasier Crane von einer Gastrolle in der Sitcom Cheers zu einer permanenten Nebenfigur und später zur Hauptfigur seiner eigenen, preisgekrönten Sitcom Frasier.

//7. Minderheiten, Randgruppen und Ausnahmen

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich selbst die Sitcom-Kultur weiterentwickelt. So dauerte es nur ca. 30 Jahre bis auch die afroamerikanische Bevölkerung ihre eigenen Sitcoms vorweisen konnte. Allerdings zu dem Preis, dass jene Sitcom-Charaktere bei aller Komik um ein Vielfaches spießiger und moralinsauer angelegt wurden als ihre weißen Pendants(Bill Cosby Show). Ebenso feierte auch die weiße Unterschicht ihren Einzug in die Sitcom-Welt. Jedoch funktionierte dieser sogenannte White Trash zum Teil als übelste Zrschaustellung sämtlicher gängiger Klischees von arbeitsscheuen Versagern, verschlampten Hausfrauen und nuttigen Töchtern. (Eine schrecklich nette Familie).
Allerdings bot diese Randgruppen-Sitcom zum ersten Mal auch eine Art tieferes Problembewusstsein. Arbeitslosigkeit, Generationskonflikte, Teenager-Schwangerschaften oder permanenter Geldmangel dienten nicht mehr nur zur Belustigung, sondern wurden ernsthaft thematisiert. (Roseanne)