"... UND AUSSERDEM HABEN WIR EINEN RAUM."

//Die Geburt von Theater4

Als mich Christian Lorz, Peter Twardy und Reinhard Weirauch baten, mit ihnen zusammen eine Theateridee zu verwirklichen, war für mich das Vorhandensein eines Raumes natürlich ein angenehmer Umstand, dem ich aber zunächst nur wenig Bedeutung beimaß (und das, obwohl ich es hätte besser wissen müssen). In der Zwischenzeit, und nicht erst nach fast einem halben Jahr Theater 4, habe ich längst zur rechten Einschätzung des Raumes zurückgefunden... Aber ich will nicht vorgreifen.

Gegen Ende des vergangenen Jahres fanden wir uns also in dem Raum ein, von dem die Rede ist, Eiskalt, eigentlich voller Unrat, darunter einige Stühle und Sessel, schon die Farbe von den Wänden, über dem Röderschulhaus und damit über uns die drohende Abbruchglocke ­ besonders einladend war das nicht gerade. Und dennoch: Dieser Raum schien alles für ein Theater und uns bergen zu können.

Mit dieser Idee einer freien Theatergruppe im Kopf beobachteten wir, ja, unseren sichtbaren Atem. Unser Fieber muß sehr groß gewesen sein, dass unsere Idee nicht schon gleich den winterlichen Temperaturen zum Opfer gefallen ist. "Die Sonate und die drei Herren oder Wie spricht man Musik?" von Jean Tardieu war vorgeschlagen worden, Samuel Beckett, und Eugen Ionesco natürlich, und noch andere, alles absurdes Theater. Wir begannen sogar mit einigen Probe-Proben. Aber wir konnten, im besten Sinne, damit nicht recht warm werden. Gleichzeitig fiel in diese unzufriedene Zeit aber der bislang wichtigste Akt: Theater 4 wurde geboren, sozusagen nach Wochen beschwerlicher Schwangerschaft, das Kind von vier Eltern. Es mag eine glückliche Geburt gewesen sein, an unserer Unzufriedenheit mit dem Absurden hat sie (damals) nichts geändert.

Vielleicht war es ganz einfach die Temperatur unseres (vom Röder e.V. zur Verfügung gestellten: Danke!) Raumes gewesen, die uns mehr und mehr danach verlangen ließ, endlich Feuer zu fangen mit einem und für ein und in einem Stück. Für "Mario und der Zauberer", weiß Gott, woher diese Idee letztlich kam, dafür würden wir brennen können. Aber einen Thomas Mann auf die Bühne bringen? Diese Novelle dramatisieren? Nie, unmöglich. Wenigstens hatte es jetzt aber in uns einmal gelodert, und wir begannen von neuem die Suche nach einem Stück. Von diesem Zeitpunkt an überstürzten sich die Ereignisse. Wir stöberten in Bibliotheken, quälten Könner und Kenner mit unseren Fragen, ließen keine Buchhandlung aus...

Da kam es, wie wir es geträumt hatten: Der Zufall hieß Luchterhand und spielte uns die (neu) erschienene "Rattenjagd/Rozznjogd" von Peter Turrini sozusagen in die Hand. Zwei Personen, eine Frau und ein Mann ­ wir aber hatten drei männliche Spieler! Wir müssten das Stück umschreiben... Und der dritte...? War da nicht der "Mario", wie gemacht für den dritten...? Doch...?

Und da war er plötzlich wieder, unser Raum: "Das Lokal ... war ein Saalbau ..." oder "...nichts Besseres eigentlich als eine allerdings geräumige Bretterbude ..." oder gar "... enthüllte ein Podium, das nach seiner Ausstattung eher einer Schulstube ... glich ..." Das musste er sein, Thomas Mann hatte uns in seinem "Mario" den Raum ja geradezu vor-geschrieben!

Also doch! Sie wissen es ohnehin längst: In kaum mehr als einer Viertelstunde werden Sie in genau diesem Raum unsere Dramatisierung von "Mario und der Zauberer" sehen können. Nicht nur mit einem Spieler übrigens, längst ist Theater 4 nämlich zur doppelten Größe angewachsen. Und dass wir Peter Turrinis "Rozznjogd" ebenfalls bearbeitet haben ­ das werden Sie bemerken, wenn Sie gleich statt des Paares im Original nun wirklich zwei junge Männer auf der Bühne erleben.

Zur rechten Einschätzung zurückgefunden... Viel mehr: Gegen keinen anderen Raum der Welt möchten wir dieses alte Klaßzimmer in diesem Augenblick eintauschen. Gerade weil es unsere Möglichkeiten von Beginn an so sehr begrenzt hat, zwang es uns, uns immer wieder auf die wesentlichen Mittel des Theaters und des Spiels zu konzentrieren. So gesehen, hat sich unsere Inszenierung sogar ganz auf diesen Raum eingelassen. Ganz vorn birgt unser Raum unsere kleine Bühne. Für uns war sie der Kondensationskeim vieler Monate und Wochen. Mag sie Ihnen, das jedenfalls wünscht sich Theater 4, der lebendige Quell des heutigen Abends sein.