BRUCHSTÜCK I VON SAMUEL BECKETT / MERCEDES VON THOMAS BRASCH

//4. - 7. Novemver 1993
//Bruchstück I - die Kollision

Samuel Beckett wurde am 13. April 1906 in Dublin geboren. Er ist Verfechter eines absoluten Nihilismus. Das Nichts, die vollkommene Sinnlosigkeit nimmt dramatische Gestalt an. Seine Protagonisten sind blind, kratzen auf ihrer Geige, einbeinig im Rollstuhl sitzend, lauschend, wartend. Jeder Moment geht nahe, keiner berührt sie.

Kein Kontakt ­

Ihre Sprache gerät zu Wortfetzen, Wörtern, Silben, oft genug bleibt nur Geräusch übrig. Was wir sehen sind lebendige Tote, das tote Leben. Es verkrampft sich ineinander, stößt sich ab, ekelt sich, es hält und würgt sich, es liebt sich ungerührt.

Samuel Becketts "Bruchstück I" abstrahiert Braschs Beziehungskondensat "Mercedes". Es duldet keine Ausnahmen mehr. Nicht unglücklich genug sein, ist ihr eigentliches Unglück.

Während Sakkos "Hinrichtung" identische Wiederholung verhindert, Oi überlebt, dramatisiert das "Bruchstück I" die ewige Wiederholung.

"Warum hören sie nicht einfach auf ... zu leben?"
 

//Mercedes - eine Kollision

Mercedes behandelt die Arbeitslosigkeit, Mercedes behandelt den raschen Wechsel gesellschaftlicher Werte, Mercedes behandelt vor allem die Geschichte zwischen Sakko und Oi, zwischen einem Mercedesbesitzer und einer Tramperin, zwischen einem Autoüberführer und einer Geschichtenerzählerin, zwischen einem Arbeitslosen und einer Diebin, zwischen einem Mann und einer Frau.

Unwichtig ob der Mercedes existiert oder gar fährt, wichtig ist allein, dass sich Sakko und Oi treffen ­ eine zwischenmenschliche Kollision.

Ihre Sprache ist ein Code, ihr Leben determiniert, ihr Mercedes eine Vision, ihre Liebe ein Versuch, das Ende unausweichlich.

"Kannstemirmalsagenwowirhiersind"
"MußteerstmalaussteigenausdeimMercedes"
"Issjaüberhauptniksmehrhierdraußen"
"Binichdochda Und du"
"Unddassollreichen Allein inne öde Heide"

Thomas Brasch wurde am 19. Februar 1945 als Sohn des späteren hohen SED-Funktionärs Horst Brasch geboren. 1968 wurde er wegen "staatsfeindlicher Hetze" verhaftet und zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. 1976 siedelte er nach West-Berlin über.

Brasch, der sich in der Pose des Anarchisten gefällt, hält trotzdem an der sozialistischen Utopie fest, was ihm u.a. eine rüde Polemik des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranickis einbrachte.

Auffallend unterschiedlich auch die Beurteilung des "Mercedes" in der Kritik.