LEBEN, LEBEN, NOCHMAL LEBEN?

//Drei Versuche des Lebens

Wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten und wir dann diesen einen Satz nicht gesagt oder anders gesagt, an jener Stelle vielleicht etwas ruhiger reagiert hätten oder einfach nur wenige Augenblicke später gekommen wären, dann wäre es womöglich ganz anders gekommen.

Die meisten werden sich schon mal die Frage gestellt haben, wie sich eine Situation entwickelt hätte, wenn man doch nur in diesem einen Moment anders reagiert hätte. Wäre eine neue Situation entstanden? Hätte sich eine negative Entwicklung abwenden lassen? Hätte sich vielleicht gar ein Unglück vermeiden lassen? Der Reiz – und zugleich auch das Unbefriedigende – an solchen Gedankenspielen ist, dass wir die Antwort nicht kennen. Denn dazu müsste man die Zeit zurückdrehen, was in der Realität leider oder glücklicherweise nicht möglich ist.

Zum Glück kennt das Theater andere Gesetze. Hier ist möglich, was in der Realität unmöglich ist. Und deswegen haben die vier Protagonisten Henri, Sonja,Hubert und Ines die Gelegenheit, ihren unvergesslichen gemeinsamen Abend dreimal zu erleben, dreimal zu leben. Oder wie der französische Originaltitel verspricht, „drei Versuche des Lebens" („Trois versions de la vie") zu erproben.
Dadurch haben die vier die Chance, mehr aus ihrem banalen Alltag zu machen, der mehr oder weniger nur besteht aus Kindergeschrei, verzweifelten Versuchen, sich beim Chef beliebt zu machen oder dem anderen die Frau auszuspannen, einander kleine Gemeinheiten unterzuschieben, Gerede über Karriere und Erziehungsgrundsätze und und und. Wer dreimal lebt, der hat doch diese Chance. Oder?

Aber „der Mensch ist schon ziemlich zum Verzweifeln", meinte einmal die Autorin Reza. "Er wird ständig von der Mittelmäßigkeit angezogen, eine enorme Versuchung, [...]. Sie kommt ihm nicht nur entgegen, er hat auch noch Freude daran."

Können wir es schaffen, bei drei Lebensversuchen der Mittelmäßigkeit, der Banalität des Alltags zu entrinnen? Oder wählen sich die Versuche nur andere Wege des Banalen?