DER METEOR

//von Friedrich Dürrenmatt
//26. - 28. April 1991

... und nur ICH muß weiterleben!

Der Literaturnobelpreisträger Wolfgang Schwitter hat das zeitliche gesegnet. In den Medien berichtet man von seinem Tod. Nachrufe werden verfasst, ein Staatsbegräbnis organisiert. Doch beim Segnen bleibt es nicht: es folgt nach einem kurzen Intervall der Starre die leibliche Auferstehung. Der "Auferstandene" jedoch kann eines nicht glauben: Daß er tot war. Als Auferstandener gehört Schwitter zu den Lebenden - als Auferstandener, der nicht an seine Auferstehung glaubt, zählt er zu den Sterbenden.

Diese Dürrenmatt-typische Paradoxie lässt die Gestalt des Schwitter gleichzeitig tragisch und komisch erscheinen. Schwitters Weideraufleben ist vergleichbar mit der Erscheinung eines Meteors, der, wenn er in die Lufthülle der Erde eintritt, sich ungeheuer erhitzt und einen phantastischen Glanz entwickelt, ehe er erlischt. Jeder, der sich ihm in den Weg stellt, jeder, der ihm in sein Sterben gerät, geht durch die ungeheure Kraft des Meteors zwangsläufig zugrunde.

Für ihn gibt es keinen anderen Wunsch, als "einen würdigen Abgang in die Unendlichkeit"; neben dieser Todessehnsucht kann der, der eigentlich nicht als leben wollte nicht bestehen. Nur Schwitter, der eigentlich nichts als sterben wollte, muß weiterleben.

Die sprachliche Metapher verwandelt sich in Wirklichkeit: Der Schriftsteller bleibt, wie sein Werk, unsterblich.