MUTTERSCHICKSALE

//Ein Spaziergang durch die deutsche Dramengeschichte

Foto: Rurik Schnackig

Mütter haben's nicht immer einfach. Das belegt wird das eindrucksvoll durch die
deutsche Dramengeschichte. Da wäre zum Beispiel Lokaste. Schlimmer als sie kann es wahrscheinlich keine Frau treffen. Ihr Sohn Ödipus wird von ihrem eigenen Mann ausgesetzt, später kehrt er unerkannt zurück, tötet den Vater und heiratet die Mutter. Der Verlust des Kindes, des Mannes und dann auch noch Inzest – die alten Griechen wussten, wie Drama geht.

Die wahrscheinlich berühmteste Mutter der Theaterbühnen – Brechts Mutter Courage – handelt auch nicht gerade vortrefflich. Sie will vom Krieg profitieren, will Geschäfte machen. Am Ende verliert sie alle drei Kinder wegen der Geschäftemacherei an den Krieg. Andere Mütter werden kurzerhand weggeräumt, wenn sie der Begierde im Wege stehen (Goethes „Faust"), sterben angesichts der (vermeintlichen) Umtriebe ihrer Kinder vor Schock (Hebbels „Maria Magdalena") oder durch die Hand ihres verrückten Ehemanns (Büchners „Woyzeck").
Harter Tobak.
Und so ist Mama Hase eine absolute Ausnahme der Dramengeschichte. (Gut, alle obigen Beispiele sind Tragödien und Trauerspiele, „Hase Hase" ist eine Komödie; da hinkt der Vergleich möglicherweise ein wenig. Aber sei's drum) Mama Hase also. Sie verstößt ihre Kinder nicht, sie denkt im Traum nicht an heimliche Liebhaber, hat keine Machtfantasien, ist nicht schwach und nicht Objekt der Handlungen anderer. Nein, Mama Hase ist ist die Steuerfrau, die ihr Familienschiff durch heftige Wogen lenkt. Sie hält den Laden zusammen, wenn er beinahe auseinanderfliegt. Sie kümmert sich um den Haushalt, die schulischen Probleme des jüngsten Sprösslings, den wärmenden Pullover des Papas, die Sorgen der Nachbarin. Um alles eigentlich. Und wenn die Kinder sich scheiden lassen, zu Terroristen werden und alle wieder zu Hause im Hasenbau Schutz suchen, dann macht sie auch das. Platz ist schließlich immer irgendwie da.

Mama Hase hat keine Superkräfte. Sie ist auch keine Heilige. Sondern einfach eine Mutter, eine ganz normale. Daher ist „Hase Hase" nur am Rand ein Stück über Außerirdische und Terroristen. Es ist vor allem eine Hommage an die Familie, an die Solidarität und – an die Mutter.