DER TOLLSTE TAG

//Frei nach Beaumarchais von Peter Turrini
//24. - 29. Mai 2002

Am 1. Mai 1786 kam in Wien die Oper "Figaros Hochzeit" zur Aufführung. Das Libretto stammte von Lorenzo Da Ponte und griff eine französische Komödie mit dem Titel "Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit" auf. Eine Komödie, die zu diesem Zeitpunkt schon einiges hinter sich hatte. Baron de Beaumarchais, der Schöpfer des Originals kämpfte vier Jahre lang am französischen Hof um sein Werk, ehe sie schließlich im Frühjahr 1784 Uraufführung feierte. Erst einflussreiche Personen bei Hof überzeugten Ludwig XVI. das Verbot aufzuheben.

Was das Original zum Skandal eskalieren ließ und Napoleon zu der Einschätzung brachte, das Stück sei der "Sturmvogel der Revolution" findet sich beispielhaft in einem Monolog Figaros:
"Nein, Herr Graf, Sie werden Susanna nicht haben...Sie werden Sie nicht haben! Weil Sie ein großer Herr sind, glauben Sie auch ein großer Geist zu sein! Adel, Reichtum, Rang und Würden, all das macht Sie so stolz! Was haben Sie denn geleistet für so viele Vorteile? Sie haben sich die Mühe gegeben, geboren zu werden, weiter nichts. Im übrigen sind Sie ein ganz gewöhnlicher Mensch. Während ich zum Donnerwetter, verloren im dunkelsten Gewühl der Menge, mehr Fleiß und Verstand aufwenden musste, um überhaupt existieren zu können, als in hundert Jahren für die Regierung von ganz Spanien aufgebracht wurden."

Das klingt tatsächlich nach Revolution. Aber schon Beaumarchais hatte Kompromisse machen müssen, entschärft und sich gezügelt, um sein Stück jemals auf der Bühne sehen zu können. Nach heutigem Zuschauerempfinden ist ohnehin schon im Original wenig Zündstoff. Da Ponte machte aus diesem Stoff endgültig einen Schwank. Die Handlung? Figaro liebt Susanne, allein, der Graf hat etwas dagegen, aber das ein oder andere feine Verwechslungsspiel bringt schließlich und endlich...

Der Autor des Librettos zur Mozart-Oper veredelte die Figuren zur Utopie, auf dass sich niemand mehr an etwas stößt und der unterhaltsame Abend seinen Lauf nehmen kann. Und so beschreiben die einschlägigen Opern-Führer das Ende der Komödie überaus versöhnlich.

"Als alle Personen in der Nacht sich im Garten befinden, kommt es zu einem großen Verwechslungsspiel. (...) Zu guter letzt handelt sich Figaro von der falschen Gräfin ein paar Ohrfeigen ein. Er ist davon entzückt und unter Gelächter versöhnen sich Susanna und er. Alles klärt sich auf. Die Gräfin ist zu dem bereit, was ihr der Graf versagt hat und worum er sie jetzt bittet. Sie verzeiht."

Na Gott sei dank! Dann können wir ja jetzt alle frohgemut in das nächste Restaurant weiterziehen und einen Toast auf die gelungene Inszenierung und die ausgezeichneten Schauspieler ausbringen. Vor gut zweihundert Jahren aber ärgerte sich der Autor Baron de Beaumarchais über alles, was er sich hatte verkneifen müssen:
"Oh, wie ich es bedauere, dass ich aus diesem moralischen Thema keine blutige Tragödie gemacht habe. Ich hätte dem gekränkten Gatten, den ich nicht Figaro genannt hätte, einen Dolch in die Hand gegeben und ihn in seiner zornigen Eifersucht mit edler Geste den mächtigen Lüstling erstechen lassen."