STEHEN GEBLIEBEN

//Das Kaufhaussterben

Die Warme-Luft-Dusche am Eingang. Trockene Luft, die Biederkeit verströmt und an kalten Wintertagen doch einlädt.

Drinnen reihen sich Regale und Vitrinen, die Parfümerie an die Schreibwarenabteilung, die Kurzwaren an die Herrenausstattung. Kinder spielen auf den Rolltreppen. Erschöpfte Mütter und quatschhafte Tanten treffen sich zu Kaffee und Kuchen. Es ist ein eigener Kosmos, in dem man einen ganzen Tag verbringen könnte; manche verbringen hier ihr halbes Leben. Zumindest wirkt es so, wenn man all die Zeitungsartikel liest, die zu diesem Thema aufgelistet werden, wenn der Begriff „Kaufhaussterben" bei Google eingetippt wird: Mitfünfziger schwelgen in Kindheitserinnerungen, und nicht selten kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass für diese Autoren mit dem Verschwinden des klassischen Kaufhauses aus den Innenstädten dieses kreuzbraven Landes ein Stückl heile Welt verblasst.

Kaum Einkaufsflair, stattdessen der biedere Charme eines vergangenen Jahrhunderts, an den Wochenenden miese Luft in überfüllten Gängen und selten günstige Preise – das ist die andere Realität des Kaufhauses.

Heute haben Shoppingcenter die Nase beim Kunden vorn. Diese wirken hip, modern undbbieten mehr als ein Kaufhaus jemals bieten kann. Da finden sich Elektromärkte, schicke Cafés, teure Markenläden und billige Klamottengeschäfte, da gibt es Saftläden und Dönerstände, Massagesessel und Starbucks. Das meist etwas marode Restaurant mit Dachterrasse im vierten Stock des Kaufhauses kann da nicht mithalten.

Für die Kaufhäuser sind schwierige Zeiten angebrochen. Lange widersetzten sie sich der Modernisierung, wirkten wie ein ruhender Fels, während sich um sie herum Ansprüche und Kaufverhalten veränderten. Vielleicht liegt auch deswegen so viel Wehmut in all den Artikeln über das Kaufhaussterben.

Hier stirbt etwas, das sich nie wirklich verändert hat. Hier geht etwas zu Grunde, das heute noch so ist, wie man es aus frühen Kindheitserinnerungen auch schon kannte. Mit dem Verschwinden des Kaufhauses aus der Innenstadt verschwindet auch ein Teil der eigenen Geschichte. Und so schwingt sogar bei mir – einem Mitdreißiger – ein wenig Nostalgie mit, wenn ich ein Kaufhaus betrete und von trockener, warmer Luft von oben begrüßt werde.