MEINE SIEBEN JUNGEN FREUNDE
//von Günter Eich
//11. - 16. Mai 2006
Es gibt keine Wahrheit, nur Zwecke
Ihr Nachbar, der eigenartige Herr Birowski, erweckt das Interesse der beiden Schwestern Paula und Therese. Wer ist dieser Mann, der sich tagtäglich dem Spiritus-Rausch hingibt und sich damit langsam selbst zu Grunde richtet? Und was hat es mit jenen imaginären Besuchern auf sich, die ihm fast rund um die Uhr erscheinen?
Als die beiden Frauen beginnen, selbst merkwürdige Geräusche in der Nachbarswohnung zu hören, kommen ihnen erste Zweifel. Womöglich sind Birowskis geheimnisvolle Freunde gar keine alkoholbedingten Halluzinationen. Vielleicht sind sie in Wirklichkeit die unheimlichen Vorboten einer unvermeidlichen Zukunft.
Günter Eich zeichnet in "Meine sieben jungen Freunde" das Bild dreier Außenseiter, die mehr oder weniger mit der Welt abgeschlossen haben. Doch während die beiden Schwestern noch einen Sinn in ihrem Leben wähnen, hat sich Birowski längst mit dem eigenen Scheitern abgefunden. Selbst seine imaginären Freunde scheinen nur noch bemitleidenswerte Verlierer zu sein. Sinnbilder menschlicher Sehnsüchte, die niemals gestillt werden. Sie sind auf der Suche nach Liebe, Erfolg, Anerkennung oder Vergebung, ernten aber doch nur Unverständnis und Ablehnung.
Birowski hat aufgegeben und dadurch eine selbstzerstörerische Form des Gleichmuts erlangt. Was lässt einen noch am Leben festhalten, wenn man erkannt hat, dass nichts zusammenpasst?
Das Streben nach Glück erscheint aussichtslos. Menschen klammern sich verzweifelt an jedes kleine Stückchen Realität, das ihnen geblieben ist und verschließen dabei die Augen vor dem großen Ganzen. Nicht aus dem Grund, weil sie es nicht fassen könnten, sondern aus Angst davor, es könne einfach keinen Sinn ergeben. Es gibt keine Wahrheiten, nur Zwecke.
Für diese Erkenntnis zahlt Birowski einen hohen Preis. Trotzdem fühlen sich Paula und Therese von der Idee des Loslassens magisch angezogen. Keine Zweifel mehr, keine Gedanken an zerstörte Hoffnungen und Träume. Noch halten sie an ihren gewohnten Realitäten fest. Doch sie schwanken bereits. Was ist Wirklichkeit, was Illusion? Ist es der Bürgermeister, die Brücke, die Rattenplage? Oder sind es doch die eingebildeten Freunde?
Es spielt keine Rolle. Birowskis Freunde sind nicht einfach nur wahllose Beispiele menschlichen Scheiterns. Sie stehen vielmehr für jene Gedanken im Kopf eines gebrochenen Menschens, die die letzte Tür zur bedingungslosen Kapitulation vor der Welt aufstoßen. Es ist jener kurze Augenblick des relativen Glücks bevor man endgültig loslässt.