DER HÄSSLICHE

//von Marius von Mayenburg
//2. - 6. Juli 2010

Das Gesicht ist ein Abbild der Seele. (Cicero)

Lette ist hässlich. So hässlich, dass ihm nicht einmal seine eigene Frau Fanny ins Gesicht sehen kann. Doch er selbst weiß nichts davon. Ziemlich eigenartig kommt ihm aber vor, dass er den genialen Starkstromstecker, den er entwickelt hat, nicht selbst der Öffentlichkeit präsentieren darf. Sein Assistent soll dies übernehmen. Der Chef druckst herum und deutet schließlich an, dass etwas mit seinem Gesicht nicht stimmt. Doch erst seine Frau Fanny bringt er dazu, ihm die ungeschminkte Wahrheit zu sagen: "Dass du unsagbar hässlich bist." Nun ist Lette klar: seine letzte Chance ist der Schönheitschirurg, der vor der Aufgabe seines Lebens steht und Lette ein wunderschönes Gesicht gibt. Er ist absolut nicht wieder zu erkennen. Von diesem Moment an läuft bei Lette alles glänzend. Er reist von Präsentation zu Präsentation, verdient viel Geld und vor seinem Hotelzimmer versammeln sich die Frauen, die sich in trauter Zweisamkeit von den Qualitäten seines "Steckers" überzeugen wollen. Mit Ausnahme eines kleinen Konfliktes mit seiner Frau, läuft alles phantastisch. Bis – ja bis ihm der erste Mann über den Weg läuft, der genau SEIN Gesicht spazieren trägt!

Theater4 zeigt Lette als Spielball, als Kugel im Flipperautomaten, die von allen Seiten irritierende Impulse erhält. Ernste, sich bis ins Tragische steigernde Szenen kontrastieren mit skurrilen, beinahe surrealen. So wird eine Dimension des Stückes freigelegt, die tief betrifft: Ständig werden eine Unzahl von Erwartungen an uns gestellt, an unsere "Flexibilität", "Leistungsbereitschaft" und "Anpassungsfähigkeit". Wie weit würden wir aus Angst vor dem sozialen Tod und um im Existenzkampf nicht zu unterliegen gehen? Lettes Schicksal führt vor, wie solcher Druck und solche Selbstverleugnungsbereitschaft sich bis ins Groteske steigern können: Lette lässt sich ein vollkommen neues Gesicht geben.

Über den Autor

//Marius von Mayenburg

Marius von Mayenburg wurde 1972 in München geboren. Er studierte zunächst Altgermanistik in München, zog dann 1992 nach Berlin, wo er von 1994 bis 1998 an der Hochschule der Künste das Fach "Szenisches Schreiben" belegte. 1995 hospitierte er an den Münchner Kammerspielen. 1998 begann er als Dramaturgie-Mitarbeiter an der "Baracke" des Deutschen Theaters und ging mit Thomas Ostermeier 1999 als Dramaturg und Hausautor an die Berliner Schaubühne am Lehniner Platz.

Bekannt wurde von Mayenburg insbesondere durch sein Stück "Feuergesicht", das 1998 die Newcomer-Sensation auf deutschen Bühnen war. "Der Hässliche" entstand im Jahr 2007.

Preise und Auszeichnungen:
- Kleist-Förderpreis für junge Dramatik für "Feuergesicht" 1997
- Preis der Frankfurter Autorenstiftung 1998