THEATER4 UND DER TANZ

//Der Feuerteufel tanzte mit

Eigentlich sollte ein kleiner Aufsatz über die "Totentänze" auf dieser Seite beginnen, über ihre Tradition und über das, was in Lotte Ingrischs "Wiener Totentanz" davon noch zu finden ist. Wir haben diesen Aufsatz nun kurzfristig gekippt. Nicht nur, weil uns die jüngsten Ereignisse so betroffen gemacht haben, sondern weil sie zu diesem Thema, zu diesem Stück zu gehören scheinen, für uns damit für immer untrennbar verbunden sein werden.
Vor genau einer Woche, am Donnertag, den 16.11.1989, stand das Theater 4 im Röder in Flammen. Innerhalb weniger Minuten vor oder nach 18 Uhr war fast alles Brennbare vernichtet: die Bühne, die Vorhänge, die Scheinwerfer, die Kostüme, die Requisiten. Das war die Nacht der Apokalypse, mit mittelalterlicher Unbarmherzigkeit hatten die Flammen ohne Ankündigung alles verschlungen. Wie einstmals die schwarze Pest hatte das Feuer Theater 4 scheinbar nicht die geringste Chance gelassen.
Und da war es, dieses vermutliche Urmotiv aller frühen Totentänze: der entsetzliche Schrecken des plötzlichen Todes, der vor keiner Zeit und vor keinem Geschlecht halt macht.
Der Text des Stücks, ebenso die beim ersten nüchternen Lesen der Totentanzliteratur eher wissenschaftlich ausgeschriebenen Gedanken erhielten ganz plötzlich für uns einen intensiven Sinn. Zitiert wird exemplarisch Joachim Fest aus "Der tanzende Tod":
"Man kann aber nicht übersehen, dass die tiefe Suggestion des Todes nur die Kehrseite der Leidenschaft und prunkenden Intensität des mittelalterlichen Lebens war: die Unbändigkeit seiner Empfindungen, in denen Rohheit und innere Rührung, Barbarei und Unschuldszauber, Niedertracht und durchsichtige Reinheit sich zu einem unverwechselbaren Lebenston verbanden."
Und weiter: "Wo aber Leben und Sterben sich in der Macht der Empfindung so überwältigend vereinten, lag der Gedanke greifbar nahe, Tod und Tanz zusammenzuführen. Vielleicht ist es nur die Störung dieses seelischen Gleichgewichts, die Unfähigkeit, Leben und Tod in der Balance des Denkens wie des Gefühls zu halten, die der Gegenwart die Idee des tanzenden Todes so fremdartig gemacht hat."
Schließlich: "Und einmal entdeckt, übte die Bildidee eine einzigartige Anziehungskraft aus: Tod und Tanz verschwistert es war, als ob die Zeit ihr innerstes Wesen darin erkannte."
Noch am selben Abend fiel unser Entschluss: Wir werden tanzen, wir werden aufführen, mit der Premiere zum vorgesehenen Termin.
Keiner verstehe uns falsch: Wir haben nicht begonnen, uns auf irgendeinen modischen Okkultismus-Kult einzulassen! Wir haben nur begonnen, einige Empfindungen in uns wahr- und ernst zu nehmen und zuzulassen. Als wir am Freitag Abend, einen Tag nach unserem Bühnenbrand, in der klaren Kälte im Freien standen und ­ vielleicht ebenso wie Sie ­ in diesen ungeheueren roten Schein am Nordhimmel starrten, war das für uns eben nicht nur das physikalische Phänomen eines Nordlichts.
Die Woche, die inzwischen vergangen ist, die Tages- und Nachtzeit und die Entbehrungen, die uns fast kraftlos gemacht haben, können wir im Moment nicht beschreiben. Alle Energie, die wir am vergangenen Donnerstag noch in uns hatten, haben wir einer neuen Bühne, dem Stück und der Idee von Theater 4 gegeben. Wir wünschen uns so sehr, dass wir Ihnen durch die Aufführungen einen kleinen Teil unserer Kraft schenken können.
(E. König)