Das Ensemble im Spätherbst 1988 vor defektem Ölofen.
BLITZSTART IN KINDERSCHUHEN
//1988 - 1991
Als wir 1988 Theater4 gründeten ... Theater4? Ganz einfach: Wir waren zu viert, keiner älter als 19 Jahre.
Als wir also 1988 Theater4 gründeten hatten wir 500 D-Mark für die erste Produktion und noch vor dem ersten Stück ein eigenes kleines Theater - ein ehemaliges Klassenzimmer in einer ehemaligen Schule ohne Heizung und mit altersschwacher Elektrik in einem politisch umstrittenen Kulturzentrum (dem heute abgerissenen Röder) in Altdorf bei Nürnberg. Das klingt nach echtem Pioniergeist und war es sicher auch. Nach einigen unbefriedigenden Probe-Proben kam uns der Zufall zur Hilfe und ein Lehrer, der keine Lust mehr hatte, die Schultheatergruppe zu leiten.
In diesem Rahmen begann unsere erste Stücksuche und unsere erste echte Bühnenliebe. Denn es kam, wie wir es uns erträumt hatten:
1989 // Rozznjogd von Peter Turrini & Mario und der Zauberer nach Thomas Mann
Eine von Theater4 dramatisierte Novelle - Gott weiß, von wem die Idee letztlich kam. Wir probten das erste Mal, wir liebten das erste Mal, wir führten das erste Mal auf. Und das kulturell ausgehungerte Altdorfer Publikum dankte mit drei ausverkauften Vorstellungen, Begeisterung und Lobeshymnen. Selbst die regionale Presse überschlug sich schier.
Theater4 war geboren.
Noch im gleichen Jahr 1989 wurde aus dem "Theater4 " ein "Theater Viele". Theater4 wuchs auf stattliche 15 Mitglieder.
1989 // Wiener Totentanz von Lotte Ingrisch
Das neue Projekt forderte trotz Mehrfachbesetzungen die Neuverpflichtung von Nachwuchs-Schauspielern. Ein naiv-ergreifender Reigen in schwermütigem Wiener Witz wurde inszeniert, Kleinbürger und Huren, die österreichische Variante der Heiligen Familie und ein Kasperl, der gleichzeitig den Tod verkörperte tauchten in zehn schaurig-schönen Bildern auf einer drehbaren Bühnenkonstruktion auf.
Als diese und viele andere Fragen noch auf geniale, einfache Lösungen warteten, passierte ein Unglück, das im Kontext des mystischen Stücks zum transzendentalen Schicksalsschlag umgedeutet wurde und den Aufführungen den Glanz des Zeichenhaften verlieh:
Der alte Ölofen im Probenraum explodierte. Die Presse titelte „Der Feuerteufel tanzte mit" (JPG 114,0 kB) und die herrschende Kommunalpolitik rieb sich die Hände. Hatte sie doch mit einem heimatlos gewordenen alternativen Kulturverein einen Dorn weniger im Auge.
Das Theater4 aber war raumlos unglücklich geworden. Doch die Bande zu unser alten Schule waren noch stark und so war zwei Wochen vor der Premiere mit der gymnasialen Aula schnell ein Ausweichquartier gefunden.
Die Aufführung riss direkt Beteiligte, Zuschauer und Presse gleichermaßen mit und wurde von letzterer zum regionalen Kulturhöhepunkt 1989 (JPG 388,0 kB)erklärt. Die Begeisterung rund um Theater4 kannte beinahe keine Grenzen.
Nach der Kammermusik gab es diesmal die opulente Symphonie - so unsere Kritik.
NACH DEM GROSSEN RAUSCH GAB ES DANN DEN GROSSEN KATER
1991 // Der Meteor von Friedrich Dürrenmatt
Ein neues Stück zu finden ist nicht immer einfach, zugegeben. Wir aber waren ohne Bleibe. Beides aber ist immer noch ein Kinderspiel im Vergleich zu der Aufgabe, einen neuen Regisseur zu finden. Nach zwei gefeierten Produktionen schien das Theater4 Ende 1989 vor seinem Aus: Edward König, bisheriger Regisseur und inhaltliche Triebkraft siedelte ins ferne Uruguay über. Ein neuer Proberaum war immer noch nicht in Sicht, die Ideen zu neuen Stücken fehlten. Nach einer schier unendlichen Phase des Zusammenraufens und Ausprobierens, Diskutierens und Suchens war es endlich soweit.
In Kollektivregie entstand im Jugendraum der Gemeinde Schwarzenbruck dieses Nobelpreisträgerstück.
Das Publikum hatte das Theater4 noch nicht vergessen und so wurden die Aufführungen in den Veranstaltungsräumen der Altdorfer Sparkasse zu einem ausdauernd beklatschten Erfolg und zu einer wichtigen Erfahrung für einen wirklichen Neuanfang: Sowohl die Trennung von Proben- und Aufführungsraum, als auch das Inszenieren unter Kollektivregie waren Provisorien, die es zu überwinden galt.
