LÄMMERMANN

//von Ludwig Fels
//21. - 24. April 1994

Bedingungslose Subjektivität

Beckmann - Wolfgang Borcherts Held des Heimkehrerdramas "Draußen vor der Tür" war vom großen Krieg ausgespien worden. Mit Gasmaskenbrille erlebte der Selbstmörder in der Trümmerlandschaft das Strandgut des Krieges. Lämmermann lebt in einer für ihn fast ebenso trostlosen Welt. Sein lyrischer Hass, seine expressive Trauer und seine allumfassenden Wutausbrüche wecken Erinnerungen an Borcherts - bald 50 Jahre ist das her! - Beckmann-Stück:

"Träum ich? Seh ich alles verzerrt durch diese elende Gasmaskenbrille? Sind alles Marionetten? Groteske, karikierte Menschenmarionetten? Soll ich weiterhumpeln auf der Straße? neben den anderen? Sie haben alle dieselbe, gleichen, gleichgültigen Visagen. Und sie reden alle so unendlich viel, und wenn man dann um ein einzige Ja bittet, sind sie stumm und dumm, eben wie die Menschen. Und die Menschen gehen an dem Tod vorbei, achtlos, blasiert, angeekelt und gleichgültig, gleichgültig, so gleichgültig! Und der Tote fühlt tief in seinen Traum hinein, dass sein Tod gleich war, wie sein Leben: sinnlos, unbedeutend, grau. Und du - du sagst ich soll leben! Wozu? Für wen? Für was?
(Aus: Wolfgang Borchert: Draußen vor der Tür)

Lämmermann jedoch, von subjektivem Ungerechtigkeitssinn nur so strotzend, erscheint sperrig, ein kraftlos Unangepasster. Er setzt sich auch beim Publikum ins Unrecht und zeigt damit, dass einer selber schuld ist, wenn er sich zwischen alle Stühle setzt.
Schließlich bemühen sich ja die Kollegen, Eltern, Nachbarn, Freundin mit diesem taktosen, unverschämten Kerl auszukommen. Und wenn dabei auch gelegentlich faschistoide Tendenzen zum Vorschein kommen, "sie meinen es ja nicht so". Recht? Unrecht? Fragen, die angesichts eines bedingungslos subjektiven Blickwinkels unbeantwortet bleiben müssen.
Und das ist sicherlich eine Qualität des Stückes!